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Archive for 22. Januar 2011

***  Irgendetwas hatte mich geweckt. Mühsam öffnete ich die Augen und  stellte verwundert fest, dass alle Lichtkegel im Raum eingeschaltet waren. Eigenartig. Ich war mir völlig sicher, dass ich sie vor dem Einschlafen ausgeschaltet hatte.
„Sei gegrüßt, Kolja“, vernahm ich eine vertraute Stimme neben mir.
Überrascht wandte ich den Kopf zur Seite: „Pankraz? Du?“
Er schmunzelte und zupfte vergnügt an seinem Schnauzbart herum. „Sieh mich nicht an, als wäre ich ein Geist. Ich habe einen Eilauftrag für dich, darum musste ich dich so unsanft wecken.“ Mit einem breiten Grinsen im Gesicht musterte er meine mit bunten Fischen bedruckte Schlafkleidung.

Ich ignorierte seinen belustigten Blick. „Nun sag schon, was ist das für ein Auftrag?“ Mein Herz klopfte erwartungsvoll.
„Unser Bestand an heiligem Wasser ist fast aufgebraucht. Du musst wieder runter auf die Erde fliegen, um die Tanks aufzufüllen.“
Ich spürte, wie meine Augen feucht wurden, vor Freude.
„Freu dich nicht zu früh“, warnte er eindringlich, „denn dieses Mal wirst du mit Eskorte hinunter fliegen: Arestus und Karbon werden dich begleiten.“
Ich erstarrte. „Kyras Leibgarde!“
Er nickte mitleidig. „Sie hat darauf bestanden, dass die beiden jeden deiner Schritte überwachen. Damit du nicht wieder, wie beim letzten Mal, auf die Idee kommst, es dir da unten gemütlich zu machen. Aber trotz deiner Verfehlung bist du nun mal der beste Mann für diesen Job, sagt Kyra. Und jetzt steig endlich aus der Schlafkoje, es ist höchste Zeit, das Spider-Ship ist schon startbereit.“
„Oh, nein, nicht schon wieder mit diesem alten Rumpel-Schiff!”

**

Das Spider-Ship rappelte und dröhnte, schüttelte uns durch auf diesem Flug durch Raum und Zeit. Ich fühlte mich unwohl dabei. Denn Karbons äußerst bescheidene Flugkünste waren mir ebenso gut bekannt, wie die Eigenmächtigkeit, die das alte Schiff unerwartet an den Tag legen konnte. Ich hatte starke Bedenken ob wir jemals sicher auf der Erde ankommen würden und faltete heimlich schon mal meine Hände, zum letzten Gebet.

„Es ist Zeit, zieh dich um“, brummte Arestus mir übellaunig zu.
Gehorsam zog ich die „Fellachen-Kleidung“ an, die Kyra nach Bildern der Überlieferung hatte anfertigen lassen. Für den Fall, dass ich von Einheimischen gesehen wurde, würde ich so kein Aufsehen erregen.
Als das Spider-Ship hinter dem Palmenhain aufsetzte, atmete ich erleichtert auf.

„Okay, Kolja. Raus mit dir. Und denk dran, wir haben dich genau im Auge!“ Arestus wies in seiner typisch arroganten Manier mit seinem Kopf zu einem kleinen Bildschirm, an dem Karbon gerade die nötigen Einstellungen vornahm.
Ich nickte, öffnete die Luke und trat hinaus.

**

Die Kühle der Nacht drang in meine Lungen. Ich atmete mehrmals tief ein und aus. Was für eine herrlich klare Luft! Mit geübten Handgriffen entsicherte ich im Dunkeln den Laderaum, öffnete die Spule, entnahm ihr den eingerollten Schlauch und hängte ihn um eine Schulter. Nachdem ich den Saugschlauch vorschriftsmäßig an den ersten der sechs leeren Wassertanks angeschlossen hatte, pirschte ich mich so leise wie möglich an den Fluss heran, watete einige Meter hinein, senkte den Schlauch ins Wasser und schaltete die Saugvorrichtung ein. Sofort spürte ich das schon vertraute Vibrieren in den Händen.

„Nil“ nannte Kyra dieses Gewässer und laut unseren Überlieferungen war es ein „heiliger Fluss“, weil sein Wasser  heilende Kräfte hatte. Schon oft hatte ich mich gefragt, ob es tatsächlich die Kraft dieses Wassers war, die die Lungenkrankheit von uns Marsianern eindämmte, oder ob vielleicht nur der Glaube daran, dass das Wasser aus dem Nil heilende Kräfte hatte, diese Linderungen bewirkte. Ich  traute mich aber nicht, diesen Gedanken laut auszusprechen, denn damit würde ich mir Kyras Zorn zuziehen.
Über mir sah ich die Sterne am Himmel funkeln. Ihr sanftes Licht legte ein geheimnisvolles Glitzern über das Wasser. Sehnsüchtig warf ich einen Blick in die Ferne.

Bei meinem letzten Besuch hier hatte ich mich dazu hinreißen lassen, nach dem Füllen der Tanks die Tarnglocke über dem Schiff einzuschalten, um eine ausgedehnte Wanderung ins Landesinnere zu unternehmen. Bei Tagesanbruch hatte ich mich neugierig unter die Einheimischen gemischt, mir die vielen appettitlichen Früchte angesehen und die köstlichen Düfte eingeatmet von gebratenem Fleisch, frisch gebackenem Brot und starkem Kaffee. Diese Lebensmittel gab es, in dieser Form, nicht bei uns auf dem Mars. So hatte ich mich damals verliebt in dieses Land, dass Kyra „Ägypten“ nannte.

Ich konnte nicht verstehen, warum unsere Vorfahren das Leben auf der Erde kampflos aufgegeben hatten und auf den  Mars geflüchtet waren. Terror und Angst, so hieß es in den Überlieferungen, gehörten damals zum Leben wie das tägliche Essen. Als meine Vorfahren die Flucht zum Mars angetreten hatten, waren sie sich völlig sicher gewesen, dass ihre heimlich entwickelten Technologien ihnen genug  Sauerstoff verschaffen würden, um auf dem Mars ein normales Leben führen zu können. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, dass ihr sorgfältig ausgeklügeltes System das Leben auf dem Mars zwar möglich machten, aber die Bewohner fortan ihr Leben lang mit schweren Lungenkrankheiten zu kämpfen haben würden. – Wenn ich es mir hätte aussuchen dürfen, dann wäre ich lieber auf der wohlriechenden Erde, als auf dem stickig dampfenden Mars geboren worden. Ich hätte es gerne in Kauf genommen, dass mir ein von Angst beherrschtes Leben beschieden gewesen wäre, hätte um mein Dasein gekämpft und dafür meine Lungen mit dieser wunderbar frischen Luft füllen können, die den Kopf so klar und das Herz so weit machte.

Ein leises Piepsen drang an mein Ohr. Der erste Tank war voll. Ich schaltete schnell den Melder aus und blieb einen Moment lang regungslos stehen. Nichts bewegte sich rundherum. Kein Ton war zu hören. Dann ging ich vorsichtig den Weg zurück und klemmte den Saugschlauch an den nächsten Tank an.

**

Die zwei Stunden, die für das Abfüllen nötig waren, vergingen mir viel zu schnell. Schon war der Zeitpunkt des Abschieds gekommen.
Schweren Herzens wickelte ich den Schlauch wieder auf die Spule und sicherte dann den Laderaum von außen ab, mit so langsam behäbigen Bewegungen, als wenn ich die Zeit damit aufhalten könnte. Es widerstrebte mir, ins Schiff zu steigen und wieder nach Arche-Town zurück fliegen zu müssen. Wie leicht wäre es gewesen, jetzt einfach drauflos zu laufen und ins Landesinnere zu fliehen! Die Tanks waren voll, die Mission somit erfüllt. Deshalb würden sich Arestus und Karbon nicht die Mühe machen, mich wieder einzufangen. Sie würden Kyra irgendeine üble Geschichte über mich auftischen und sich selbst als Helden darstellen.

Aber ich musste auch an meine kleine Schwester denken. Seit dem Tod unserer Eltern war ich verantwortlich für Ellin. Urplötzlich ergriff ein Gedanke von mir Besitz, entzündete ein  Licht in meinem Kopf:  … Vielleicht wäre es ja möglich, zusammen mit Ellin auf die Erde zu fliehen?…

„Von mir aus kannst du hier Wurzeln schlagen“, hörte ich Arestus´ feindselige Stimme hinter mir, „wir fliegen jetzt zurück, Kolja. Entweder du steigst jetzt ein – oder bleibst, wo der Pfeffer wächst!“

`Das könnte dir so passen, Arestus´, dachte ich zornig und schluckte die spitze Bemerkung stumm hinunter.

Ich ließ noch ein letztes Mal meinen Blick über den silbrig glänzenden Nil gleiten. Ein Gefühl der Zuversicht machte sich in mir breit. Ja, ich war mir sicher, mit guter Vorplanung könnte die Flucht glücken. Sie musste! … Schon bald würde die Zeit kommen und ich würde für immer hier bleiben, mit meiner kleinen Schwester. In Ägypten, dem Land des heiligen Wassers…
Mit einer nie gekannten Vorfreude im Herzen stieg ich ins Spider Ship ein.

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Sprachlos

“Kramer…?”  – Keine Antwort. – ”Halloooo?”

“…….Hallo Brigitte.”

“Ja? Wer spricht da?”

“Ich bin´s”.

“Ähm…”

“Du erkennst meine Stimme nicht?”

Nein. Sollte sie?  “Äh…sie kommt mir zwar bekannt vor, aber im Moment weiß ich nicht so recht…”

“Schade. Ich habe also nicht so einen nachhaltigen Eindruck bei dir hinterlassen, wie du, bei mir?”

“Wir kennen uns? Dann liegt es bestimmt am Telefon, dass ich deine Stimme nicht…tut mir leid, hilf mir doch mal auf die Sprünge, bitte.”

“Letzten Samstag, im Starfield, an der Theke, ich bin´s Joachim!”

“Aaahh. Na klar! Im Starfield ist es immer so laut, darum habe ich deine Stimme wohl am Telefon nicht gleich wieder erkannt. Sorry, Joachim, nimms nicht persönlich.” – Wer war Joachim? Sie konnte sich nicht erinnern.

“Ja, es war wieder ziemlich laut dort. Deine Stimme klingt am Telefon noch schöner, als ich sie in Erinnerung habe. Ich hatte solche Sehnsucht danach, wieder mit dir zu sprechen. Ich fand unsere Unterhaltung sehr anregend. Schade dass du schon gehen musstest, ich hätte dich gerne näher kennen gelernt. Ich glaube, wir sind füreinander bestimmt.”

Oh, Gott! Langsam dämmerte ihr, wen sie da an der Strippe hatte. Es verschlug ihr die Sprache.

“Brigitte? Du bist so still. Sag doch was. Ich weiß, du fühlst genau so wie ich. Ich konnte es ganz deutlich spüren. Wir haben uns gesucht, und gefunden.”

Sie konnte sich gerade noch abbremsen, um nicht laut zu lachen. Es war wohl eher so gewesen, dass Joachim sie gesucht und dann an der Theke gefunden hatte. Obwohl sie ihm bewusst den ganzen Abend über aus dem Weg gegangen war, weil ihr seine schmachtenden Blicke unangenehm gewesen waren. Als er sie dann doch noch aufgespürte und ansprach, hatte sie ein paar belanglose Worte mit ihm gewechselt. Weil er ihr leid tat, er war scheinbar alleine in der Disco und fand keinen Anschluss. Als ihr klar wurde, dass sie ihn den Rest des Abends nicht mehr loswerden würde, war sie mit einem “Muss jetzt leider gehen, muss Morgen früh raus, Tschüss, machs gut” – aus dem Starfield geflüchtet.

“Brigitte? Bist du noch dran? Wir müssen uns unbedingt wiedersehen und unsere Begegnung vertiefen. Hast du heute Abend Zeit? Ich würde dich dann so gegen 20 Uhr bei dir zu Hause abholen.”

Hatte er ihre Adresse? … Und woher hatte er ihre Telefonnummer?! … Ihr wurde mulmig zumute. Es war wohl an der Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Sie gab sich einen Ruck. “Hör mal, Joachim. Es war ja ganz nett mit dir zu plaudern, aber mehr möchte ich nicht, okay?”

“Ist schon okay. Ich werde dir natürlich die Zeit geben, die du brauchst. Dann plaudern wir eben nur. Kann ich dich denn so gegen 20 Uhr abholen? Wir könnten irgendwo was essen und dann gehen wir es ganz langsam an.”

Sie war wohl nicht deutlich genug gewesen. “Joachim. Ich möchte mich nicht mir dir treffen! Ich habe kein Interesse daran, dich näher kennen zu lernen. Bitte akzeptier´ das!”

“Aber, wir können doch nicht einfach so auseinander gehen, als wäre nichts gewesen!”

“Joachim, da ist nichts gewesen, zwischen uns! Wir haben uns doch nur ein wenig unterhalten, mehr nicht.”

“Mehr nicht? Oh, Brigitte, es ist dir nur noch nicht bewusst: wir haben uns ineinander verliebt!”

Jetzt wurde es ihr langsam zu bunt. “Joachim, bitte, ich will nicht unhöflich werden. Lass uns das Gespräch jetzt im Guten beenden. Ich bin nicht in dich verliebt und möchte auch keinen weiteren Kontakt zu dir!”

Stille. War sie jetzt zu hart gewesen?

“Joachim”, versuchte sie es in sanfterem Ton, “tut mir leid, dass ich so direkt sein muss, aber ich möchte nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst. Sieh mal, es wäre nicht fair von mir, wenn ich mich mit dir treffen würde, dir damit Hoffnungen mache, die ich aber nicht erfüllen möchte.”

” …Ja, das ist wirklich fair von dir.”

Sie atmete auf. “Also dann, Joachim, ich wünsche dir alles Gute. Nichts für ungut, okay?”

“Ja, nichts für ungut. Okay… Ich hätte da wohl noch eine Frage…”

Seine Stimme klang bedrückt. Er tat ihr leid. Sie gab ihrer Stimme einen mütterlich-verstehenden Klang. “Ja, klar, frag nur.”

” Das Mädchen hinter der Bar, im Starfield, weißt du, die mit den brünetten langen Haaren…”

Brigitte stutzte. “Du meinst, Carla?”. Was hatte Carla mit all dem zu tun? Oder hatte die ihm etwa Brigittes vollen Namen gesteckt, so dass er mühelos ihre Telefonnummer herausfinden konnte?

“Ja, genau! Carla Bachner, die meine ich.”

“Nein, nicht Bachner, die heißt Höferer mit Nachnamen.”

“Aha…Danke! ”

– Klick.

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