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Archive for 24. Januar 2011

Ich denk an dich

***  Sie müsse noch ´Schreibkram ordnen´ hatte sie ihm gesagt, bevor sie sich in das kleine Arbeitszimmer im Keller verzog. Bekam natürlich keine Antwort, denn ihm war eh egal, womit sie sich beschäftigte. Renate setzte sich an den alten Schreibtisch, knipste das Leselämpchen an, nahm Papier und Stift aus der Schublade, gab dem Drang ihrer Gedanken nach und begann zu schreiben …

“ Ich sitze hier und denk an dich. Weiß nicht warum. Es kam einfach so über mich, plötzlich war es da. Ich sehe deine Augen ganz deutlich vor mir. Wie sie mich immer angesehen haben, warm und zärtlich. Dein verschmitztes Lächeln, wenn du dir mal wieder eine kleine Überraschung für mich ausgedacht hattest. Dein schräger, lausbübischer Blick, wenn du mich mal wieder ein klein wenig `auf die Schulter´genommen hattest, ohne dass ich es sofort bemerkte.

Immer wenn ich an dich denke, dann denke ich auch an uns. Wie es damals war. Wie es hätte sein können, wenn wir uns nicht getrennt hätten. Warum hatten wir uns überhaupt getrennt? Ach ja, weil ich es so wollte. Weil ich dachte, es reicht nicht für ein Leben, sich nur gut zu verstehen. Weil ich damals noch den Traum vom Prinzen vor Augen hatte, der mich alleine mit seinem Anblick so verzaubert, dass ich die Augen nicht von ihm wenden kann. Wir waren noch jung und unerfahren, hatten noch keine Ahnung von dem, was im Leben wirklich zählt.

Ich hoffe, du bist glücklich geworden und hast eine Frau gefunden, die all das an dir zu schätzen weiß, was mir damals nicht genug war. Und die Frage, die mich am meisten beschäftigt: …Lebst du noch?…
…Er ist furchtbar für mich, der Gedanke, dass es dich nicht mehr geben könnte, auf dieser Welt. Warum? Weiß ich nicht. Einfach so.
Es ist nicht so, dass ich noch immer in dich verliebt wäre. Nein, nein, das ist es nicht. So richtig verliebt war ich ja auch damals nicht. Ich fühlte mich nur wohl mir dir. Geborgen. Weiter nichts.
Nun sitz ich hier und denk an dich. Und frage mich: Wo bist du?…  “

**

“Renate! Bist du endlich fertig mit deiner Schreibkram-Ordnerei?” klang seine ungehaltene Stimme in den Keller hinunter. ” Hast du mal auf auf die Uhr geguckt? Gibt es heute kein Abendessen? Und Bier hast du auch wieder keines in den Kühlschrank gestellt! Herrje, an alles muss man selber denken.”
“Ja, Schatz. Komme sofort!” In Windeseile zerfetzte Renate das Blatt Papier in kleine Einzelteile und mischte die Schnipsel unter das Altpapier in der Papiertonne. Ihre persönlichen Gedanken gehörten nur ihr allein, die gingen, außer ihr, niemanden was an.
Vor ihrem geistigen Auge erschienen zwei belustigt  blickende, braune Augen. Sie zwinkerten ihr lausbübisch zu.
Langsam stieg sie die Kellertreppe hoch. Ein warmes Lächeln lag auf ihrem Gesicht.

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